
Wie ich mit szenischem Spiel innere Konflikte sichtbar mache
„Können Sie mir zeigen, wie sich das anfühlt?“ Diese Frage stelle ich oft in meiner Praxis. Nicht aus Neugier – sondern weil ich weiß: Manchmal sagt eine Geste mehr als tausend Worte. Manchmal muss man etwas spielen, um es zu verstehen. Genau hier setzt Psychodrama an.
Was ist Psychodrama?
Stell dir vor, du könntest deinem inneren Kritiker gegenüberstehen und ihm die Meinung sagen. Oder ein schwieriges Gespräch mit deinem Vater führen – auch wenn er gestorben ist oder ihr keinen Kontakt habt. Im Psychodrama wird das möglich.
Psychodrama ist eine tiefenpsychologisch fundierte Therapieform, bei der wir innere Konflikte, Beziehungen und Gefühle durch szenisches Spiel sichtbar machen. Es ist wie Theater – nur dass es hier nicht um Unterhaltung geht, sondern um echte Veränderung. Statt nur über Probleme zu reden, bringen wir sie auf die Bühne.
Ein Beispiel aus meiner Praxis
Eine Klientin sagt: „Ich weiß nicht, warum ich in Beziehungen immer den gleichen Fehler mache.“ Wir könnten lange darüber reden. Oder ich frage: „Zeigen Sie mir eine typische Szene.“
Sie stellt zwei Stühle auf – einen für sich, einen für ihren Partner. Sie spielt erst sich selbst, dann wechselt sie den Stuhl und spielt ihren Partner. Plötzlich spürt sie, wie er sich fühlen muss. Dann kommt ein dritter Stuhl dazu: „Wessen Stimme hören Sie innerlich?“ Oft ist es die kritische Mutter oder der abwesende Vater.
In diesem Moment wird sichtbar, was vorher unsichtbar war: Die alten Bindungsmuster aus der Kindheit spielen sich in der heutigen Beziehung ab.
Der „Als-ob“-Raum: Sicher ausprobieren
Aus der Mentalisierungsforschung kennen wir den „Als-ob“-Modus – wie beim kindlichen Spielen: „Ich bin die Mama, du bist das Baby.“ Kinder nutzen diesen Modus natürlich, um die Welt zu verstehen.
Im Psychodrama nutze ich diesen Modus gezielt als therapeutisches Werkzeug. Der „Als-ob“-Raum ist ein sicherer Ort, an dem du neue Dinge ausprobieren kannst, ohne echte Konsequenzen befürchten zu müssen.
Im „Als-ob“-Raum wird vieles möglich: Du kannst dem Vater endlich sagen, was du schon immer sagen wolltest, eine neue selbstbewusste Rolle ausprobieren, die Perspektive des anderen einnehmen oder verschiedene Lösungswege durchspielen. Jede Sitzung ist dabei so individuell wie der Mensch, der vor mir sitzt.
Das Besondere: Es ist „nur“ Spiel – aber die Gefühle sind echt. Und die Erkenntnisse sind real.
Psychodrama fördert Mentalisierung
Wenn du eine Rolle spielst, musst du dir vorstellen: Was denkt diese Person? Was fühlt sie? Das ist Mentalisierung pur.
Wenn du die Rolle wechselst – erst bist du selbst, dann spielst du deinen Chef – erlebst du die Situation aus verschiedenen Perspektiven. Plötzlich verstehst du: „Ach so, deshalb reagiert er immer so!“
Die unbewussten Muster, die ich in der tiefenpsychologischen Arbeit aufdecke, werden im Psychodrama sichtbar und erlebbar. Frühe Bindungserfahrungen können wir nachspielen, verstehen und neu gestalten.
Tiefenpsychologie trifft Handlung
Was ich an Psychodrama schätze: Es verbindet die Tiefe der Psychoanalyse mit der Kraft der Handlung. Wir arbeiten nicht nur im Kopf, sondern mit dem ganzen Menschen.
Ein kraftvolles Beispiel:
Ein Klient hatte als Kind nie erlebt, dass jemand seine Gefühle sieht und ernst nimmt. Im Psychodrama spielen wir eine Szene aus seiner Kindheit nach – aber diesmal bin ich der Vater, der da ist, der zuhört, der tröstet. Für ihn ist das eine zutiefst heilsame Erfahrung: Die Erfahrung, dass es auch anders sein kann.
Das nennen wir eine „korrigierende emotionale Erfahrung“.
Meine Arbeitsweise in Waiblingen
In meiner Praxis kombiniere ich Psychodrama mit Tiefenpsychologie, EMDR-Traumatherapie, Achtsamkeit und Yoga. Manchmal arbeiten wir mit Stühlen und Rollen, manchmal mit Symbolen, manchmal mit Bewegung. Das Wichtigste: Es muss zu dir passen.
Was Psychodrama bewirken kann
Durch die Verbindung von tiefenpsychologischem Verstehen und psychodramatischem Handeln entstehen oft erstaunliche Veränderungen: Alte Muster werden sichtbar und können verändert werden, blockierte Gefühle kommen in Bewegung, neue Verhaltensweisen lassen sich gefahrlos ausprobieren. Verschiedene Perspektiven werden nicht nur gedacht, sondern wirklich erlebt. Und Ungesagtes findet endlich Worte – manchmal auch ganz andere als erwartet.
Und das alles in einem sicheren Rahmen, in dem du experimentieren darfst.
Fazit
Psychodrama ist mehr als eine Methode – es ist eine Haltung. Die Haltung, dass wir am besten lernen, wenn wir etwas erleben. In Kombination mit meinem tiefenpsychologischen Ansatz entsteht ein kraftvoller therapeutischer Raum: Wir verstehen die unbewussten Wurzeln deiner Muster – und gleichzeitig handelst du, probierst aus, veränderst dich aktiv.
Denn Veränderung entsteht nicht nur durch Einsicht, sondern durch Erfahrung. Und genau diese Erfahrung ermöglicht Psychodrama – auf der Bühne des Lebens, im geschützten Raum der Therapie.