Zwischen Prozess und Person: Was professionelle BEM-Begleitung ausmacht

Zwischen Prozess und Person: Was professionelle BEM-Begleitung ausmacht

Gunnar Keck vor seiner Praxis

BEM-Berater ist nicht gleich BEM-Berater.

Das zeigt sich, wenn eine Mitarbeiterin nach 42 Fehltagen im BEM-Gespräch sitzt. Hinter den Fehlzeiten könnten Depressionen stecken, eine zerbrochene Beziehung, Schulden. Sie braucht nicht nur einen neuen Schreibtisch – sie braucht jemanden, der versteht, wie alles zusammenhängt.

Wer ihr gegenübersitzt, macht einen Unterschied: Jemand, der ein Wochenende lang BEM gelernt hat? Oder jemand, der seit Jahren mit Menschen in schwierigen Lebenslagen arbeitet?

Im ersten Teil dieser Serie ging es um die drei Wege im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Im zweiten Teil um psychische Erkrankungen und warum sie besondere Expertise brauchen.

Jetzt geht es um die Frage: Was macht professionelle BEM-Begleitung aus?

Was gute BEM-Begleitung braucht

BEM ist kein Formular zum Abhaken. Es ist ein Prozess, bei dem Menschen in schwierigen Situationen begleitet werden. Dafür braucht es:

Vertrauen – Menschen öffnen sich nur, wenn sie sich sicher fühlen.

Neutralität – Gute BEM-Begleitung steht zwischen Firma und Mitarbeitenden, nicht auf einer Seite.

Fachkompetenz – Jemand, der Symptome einordnen kann und weiß, wie man zwischen Krankenkasse, Ärzten und Arbeit koordiniert.

Den Blick fürs Ganze – Krankheit hat oft mehrere Ursachen: Arbeit, Private, Gesundheit, Finanzen. Wer BEM macht, muss das verstehen.

Warum externe Begleitung oft besser ist

Interne BEM-Beauftragte kennen den Betrieb – das ist ein Vorteil. Aber: Was passiert, wenn die BEM-Beauftragte zur Personalabteilung gehört? Wenn sie im gleichen Raum sitzt wie die Chefin?

Externe Begleitung bringt Abstand – im positiven Sinn. Und einen entscheidenden Unterschied: Als Sozialarbeiter unterliege ich der Schweigepflicht nach § 203 StGB – wie Ärzte. Das ist bei vielen internen BEM-Beauftragten nicht so, selbst wenn sie dieselbe Tätigkeit machen. Diese rechtlich geschützte Verschwiegenheit ist oft der Grund, warum Menschen sich überhaupt öffnen können.

Der Unterschied: Wochenendkurs oder jahrelange Praxis?

Es gibt viele BEM-Zertifikate. Zwei Tage Schulung, manchmal online. Das Problem: Diese Kurse erklären, wie BEM rechtlich funktioniert. Aber nicht, wie man mit jemandem spricht, der seit Monaten depressiv ist. Oder wie man zwischen all den Ämtern und Stellen koordiniert.

Ein Studium der Sozialen Arbeit mit Schwerpunkt Gesundheit dauert Jahre und vermittelt genau das: Wie Gesundheit, Krankheit, Arbeit und Lebensumstände zusammenhängen. Wie man zwischen verschiedenen Systemen koordiniert. Wie man Menschen in komplexen Lagen begleitet.

Das BEM-Zertifikat ist dann nur noch die formale Bestätigung.

Was zählt: Praxis, nicht Papier

Ich bin neu im betrieblichen BEM. Aber nicht neu in der Arbeit mit Menschen in Krisen.

Seit 2019 arbeite ich als Sozialarbeiter – in der Suchtberatung, als rechtlicher Betreuer, in der Krisenintervention. Das heißt konkret:

Ich koordiniere täglich zwischen verschiedenen Stellen: Krankenkassen, Rentenversicherung, Integrationsamt, Schuldnerberatung, Ärzte, Ämter, Arbeitgeber. Als rechtlicher Betreuer begleite ich Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen im Alltag – stelle Anträge, verhandle mit Krankenkassen, regle Schulden, organisiere Therapieplätze. Ich übersetze zwischen Behördensprache und Alltag. Genau das ist BEM: Koordination in komplexen Lebenslagen.

Ich kann Krisen aushalten: In der Suchtberatung habe ich mit langjährig Abhängigen gearbeitet, mit Menschen in der JVA, mit Jugendlichen in akuten Krisen. Als Rettungssanitäter (was ich noch nebenberuflich tue) habe ich gelernt, in chaotischen Situationen ruhig zu bleiben. Wenn jemand im BEM-Gespräch zusammenbricht, weil gerade alles zu viel ist, kann ich das aushalten.

Ich kann Symptome einordnen: Durch meine therapeutischen Zusatzqualifikationen erkenne ich, wann jemand therapeutische Hilfe braucht. Ich weiß, wohin ich vermitteln kann. Aber ich verwechsle BEM nicht mit Therapie – BEM ist Koordination, nicht Behandlung.

Ich habe eine eigene Perspektive: Ich bin selbst neurodivergent, lebe mit Epilepsie, habe Suchterfahrung. Das sensibilisiert mich für Neurodiversität, chronische Erkrankungen, Stigmatisierung. Aber: Meine Erfahrung kann meinen Blick auch verschleiern. Ich projiziere meine Perspektive nicht auf andere. Jeder Mensch ist anders. Ich mache professionelle Fallarbeit – keine Peer-Beratung.

Wie ich arbeite

Ich mache kein Fließband-BEM. Wenn ich begleite, nehme ich mir Zeit. Ich höre zu. Ich versuche zu verstehen, was wirklich los ist – nicht nur, was auf dem Papier steht.

Manchmal braucht es ein Gespräch. Manchmal fünf. Manchmal muss ich mit Ärzten telefonieren, mit Krankenkassen verhandeln, zwischen allen Seiten vermitteln.

Beispiel: Jemand hat chronische Rückenschmerzen und fehlt häufig. Standard-BEM fragt: „Brauchen Sie einen anderen Stuhl?“ Ich frage: „Wie geht es Ihnen psychisch? Schlafen Sie gut? Gibt es andere Belastungen?“ Denn chronischer Schmerz führt oft zu Depression – und umgekehrt.

Fragen, die Sie stellen sollten

Wenn Sie externe BEM-Begleitung suchen – als Firma, Betriebsrat oder betroffene Person:

Welche Qualifikation liegt vor? Wochenendkurs oder Studium? Die Antwort zeigt, ob jemand nur Prozesse abwickelt oder Fachkompetenz mitbringt.

Welche Praxiserfahrung ist da? Nur BEM – oder auch Suchtberatung, Betreuung, Krisenarbeit? BEM ist keine Insel.

Kennt die Person das System? Kann sie zwischen Krankenkasse, Rentenversicherung, Integrationsamt koordinieren? Viele BEM-Verfahren scheitern genau daran.

Wie läuft Vertraulichkeit? Schweigepflicht nach § 203 StGB – oder nur betriebliche Verschwiegenheit? Das ist ein Unterschied.

Wie wird gearbeitet? Checkliste abhaken oder individuelle Begleitung? Die Antwort zeigt, ob es um Masse oder um Menschen geht.

Was passiert, wenn BEM nicht reicht? Kann weitervermittelt werden? Wird auch bei Rentenanträgen oder Schwerbehinderung begleitet?

Was externe BEM-Begleitung bringt

Für Firmen:

  • Kürzere Ausfallzeiten durch bessere Klärung
  • Höhere Erfolgsquote bei Wiedereingliederung
  • Rechtssicherheit
  • Entlastung von Personalabteilung und Betriebsrat
  • Signal an Mitarbeitende: Gesundheit zählt

Für Mitarbeitende:

  • Jemand, der neutral ist
  • Jemand mit Schweigepflicht
  • Jemand, der das System kennt und koordiniert
  • Sie sind nicht allein im Dschungel aus Anträgen und Ämtern

Für Betriebsräte:

  • Keine Zwickmühle zwischen Interessensvertretung und BEM
  • Komplexe Fälle werden fachlich begleitet
  • Weniger Fehler, mehr Rechtssicherheit

Fazit: Der Mensch macht den Unterschied

BEM ist mehr als ein Formular. Es geht um Menschen in schwierigen Situationen – mit Depressionen, Sucht, chronischen Schmerzen, Überforderung.

Wer ihnen gegenübersitzt, macht einen Unterschied.

Ein Wochenendkurs vermittelt Prozesswissen. Jahrelange Praxis vermittelt Fachkompetenz. Seit 2019 arbeite ich als Sozialarbeiter mit Menschen in komplexen Lagen. Davor medizinische Ausbildung, Erziehertätigkeit, Jahre als Rettungssanitäter.

Ich bin neu im betrieblichen BEM – aber nicht neu in der Arbeit mit Menschen, die nicht mehr weiterwissen.

Und genau das macht den Unterschied.


Sie suchen BEM-Begleitung?

Für Firmen: Sie wollen BEM professionell umsetzen – rechtssicher, mit externer Expertise? Lassen Sie uns sprechen.

Für Mitarbeitende: Sie sind im BEM-Verfahren und wünschen neutrale Begleitung? Ich bin für Sie da.

Für Betriebsräte: Sie suchen externe Unterstützung für komplexe Fälle? Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden.


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